Der 17. Mai 2018 stand ganz im Zeichen der Insektenvielfalt bzw. des Insektensterbens. Der Tag fing mit dem Trendfrühstück im Tagesspiegel in Berlin an – eine regelmäßige Veranstaltungsreihe, die sich Trends rund um die Themen verantwortungsbewusster Konsum und Zukunft der Ernährung auseinandersetzt. Auf dem Podium saßen Harald Ebner (MdB, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft), Norbert Lemken (Director Agricultural Policy, Bayer AG) sowie Ralf Schulte (Mitglied der Geschäftsleitung und Fachbereichsleiter Naturschutz und Umweltpolitik, NABU e.V.). Thema des Tages:  „Artenvielfalt – wieso wir unsere Insekten schützen müssen.“ Keine leichte Kost, die es da zu diskutieren gab, denn aktuelle Studien ergaben, dass die Biomasse der Fluginsekten in Schutzgebieten des deutschen Tieflands in der Vegetationsperiode um rund 77 Prozent abgenommen hat.

Ursachen hierfür gibt es viele (Empfehle die Lektüre beim WDR und SWR) aber wir stehen gefühlt leider immer noch am Anfang der Lösung des Problems. Denn Jahrzehntelang wurde einfach zu wenig unternommen, um das Problem in den Griff zu bekommen. Im Gegenteil. Der Einsatz von „Pflanzenschutzmitteln“ stieg sogar noch an. Wie wichtig Insekten für uns alle sind steht außer Frage. Der zunehmende Artenverlust stellt uns und das gesamte ökologische System vor große Herausforderungen. In China müssen Obstbäume schon von Hand bestäubt werden, da es so gut wie keine Bienen mehr gibt. Der schleichende Verlust der Artenvielfalt ist eine gigantische Herausforderung, der Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Industrie dringend begegnen müssen. Vom Vertreter von Bayer hatte ich in der Diskussionsrunde kein Schuldeingeständnis erwartet aber es macht mich wütend, wie sehr Großkonzerne die Ursachen an anderer Stelle suchen und nicht zugeben wollen, dass sie mit ihren Produkten Teil des Problems sind. Ich kann mir gut vorstellen, dass in den Schubladen der Konzerne bereits Konzepte für die maschinelle Bestäubung von Obstbäumen liegen. Dank Drohnen wird das in Zukunft sicherlich kein Problem sein und das könnte ein spannendes Geschäftsfeld werden, gerade auch in Zusammenhang mit der Digitalisierung der Landwirtschaft, die mit großen Schritten voranschreitet.

Mein Fazit des Trendfrühstücks fällt nüchtern aus: Wenig neue Erkentnisse über die Gründe des Insektensterben, dafür zahlreiche ausweichende Antworten der Industrie und der Einwurf, dass die Bundesregierung zu wenig Geld für den Schutz von Insekten in die Hand nimmt. Darüber hinaus die erneute Erkenntnis, dass wir dringend einen Systemwandel der Landwirtschaft brauchen und Agrarsubventionen schnellstens neu aufgestellt werden müssen. Fraglich, ob wir das Problem so in kürzester Zeit in den Griff bekommen werden.

Weiterer Programmpunkt des Tages war ein Besuch bei einem Obstanbaugebiet bei Werder an der Havel, südwestlich von Berlin gelegen, wo seit Jahrzehnten Obst angebaut wird. Vor rund 6 Jahren startete die Rewe Group mit dem NABU und dem ansässigen (konventionellen) Obstbauern sowie Vermarker dort das Projekt Pro Planet. Das Label der REWE Group weist nach eigenen Angaben positive ökologische oder soziale Eigenschaften auf. Ziel des Projektes im Allgemeinen ist es, nicht nur wenige Produkte mit speziellen Anforderungen, sondern vor allem Produkte für den Massenmarkt schrittweise nachhaltiger zu gestalten.

Zusammen mit anderen Teilnehmenden befand ich mich also mitten in einem konventionellen Obstanbaugebiet. Wenn ich die Wahl habe (und das ist in Berlin eigentlich immer der Fall), gehe ich zum Bio-Markt und kaufe dort ein. Aber ich weiß auch, dass wir den konventionellen Anbau von Lebenmitteln nicht von heute auf morgen auf Bio umgestellt bekommen. Im Laufe des Tages erfuhren wir über die Maßnahmen, die vor Ort in Zusammenarbeit mit dem NABU umgesetzt werden. Hauptsächlich geht es dabei um die Verbesserung der Lebensräume für Insekten, indem Blumenwiesen und blühende Hecken angelegt werden, Bienenenhotels aufgestellt und weitere Maßnahmen umgesetzt werden. Das Nahrungsangebot für Bienen soll somit ganzjährig verbessert werden. Die Bienen wiederum helfen den Erzeugern durch die Bestäubung der Blüten den Ertrag und die Qualität zu verbessern. Es geht also auch um die Sicherung der eigenen Obst-Produktion und langfristig um eine gute Bindung zwischen dem Handel und den Erzeugern.

Ich konnte mir abschließend kein eindeutiges Urteil über das Label Pro Planet erlauben. Natürlich ist es sinnvoll die Insektenvielfalt bei einem konventionellem Obstanbaugebiet zu erhalten. Und die Rewe Group hat als großer Akteur im Markt einen großen Hebel Veränderungen herbeizuführen und konventionelle Produkte nachhaltiger zu gestalten. Aber inwiefern der konventionelle Obstanbau, bei dem Pestizide verwendet werden, und der Schutz von Insekten zusammenpassen, kann ich abschließend nicht beurteilen. Da bleibt ein komisches Gefühl. Aber das Erfolgsmonitoring scheint dem Projekt Recht zu geben. In einem Pro Planet Projekt am Bodensee wurde eine punktuelle Verdopplung der Artenzahlen ermittelt. Bemerkenswert fand ich auch die sehr partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen dem NABU, dem Obstbauern und der Rewe Group. Ich kann mir gut vorstellen, dass anfangs etliche Berührungsängste abgebaut werden mussten. Die Zusammenarbeit und der Dialog der unterschiedlichen Akteure ist ein wichtiger Schritt das Problem in den Griff zu bekommen.

Zurück zu jedem Einzelnen. Was kannst Du tun, um die Insektenvielfalt zu schützen? Hier ein paar Empfehlungen:

  • Kaufe BIO-Lebensmittel, wann immer es geht, denn der ökologische Anbau kommt ohne künstliche Pestizide aus. Mehr Infos hier.
  • Kaufe oder bastle selbst ein Insektenhotel und sorge so für einen Unterschlupf für Insekten und Bienen. Achte auf hochwertige Produkte mit geeigneten Materialien und Bauweisen. Tipps hat der NABU zusammengestellt.
  • Lass Deinen Garten verwildern: Verzichte auf „englischen Rasen“ und verwende keine Chemie. Mähe nicht zu oft den Rasen und lass Wildblumen stehen. Weitere Infos hier.
  • Achte darauf, welche Pflanzen und Blumen Du kaufst. Billig-Zierpflanzen können jede Menge bedenkliche Pestizide enthalten. Mehr Infos gibt es hier.
  • Übe Druck auf die Politik aus und unterzeichne entsprechende Petitionen wenn es um den Schutz von Insekten und den Systemwechsel bei der Landwirtschaft bzw. Agrarsubventionen geht.
  • Engagier Dich: Hilf NGOs (wie dem BUND, NABU oder Greenpeace) bei ihrer Arbeit und unterstütze sie.

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* Hinweis: Ich wurde für diesen Artikel nicht bezahlt, habe aber für meine Teilnahme an der Pressereise der Rewe Group eine Aufwandsentschädigung erhalten.